Frauen bekommen Muskelberge durch Krafttraining

Mythos oder Wahrheit?

Das ist ein Mythos, denn Frauen bauen langsamer Muskeln auf als Männer. Warum? Das erklärt Alicia Strauch, Leiterin des Fitnessstudios des Wald-Merscheider Turnvereins 1861 e.V. (WMTV) in Solingen. Außerdem gibt die gelernte Sport- und Fitnesskauffrau Tipps für Frauen, die sich fürs Krafttraining interessieren.

Beim Krafttraining wachsen Frauen nicht so leicht Muskelberge. Warum?

Alicia Strauch: Stellt euch vor, ihr habt zwei Kuchenbackmischungen. Eine für einen Schokokuchen, eine andere mit Zitronengeschmack. Du musst beiden Backmischungen dieselben Zutaten in derselben Menge hinzufügen. Mehl, Butter, Eier. Aber du erhältst ein anderes Ergebnis. So ist es auch beim Krafttraining. Leistet eine Frau dasselbe Pensum wie ein Mann, führen die unterschiedlichen Grundvoraussetzungen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Was sind die Gründe?

Alicia Strauch: Das hängt mit vielen komplexen Prozessen zusammen. Frauen bilden in der Regel weniger Testosteron als Männer. Das Hormon regt den Eiweißstoffwechsel an und sorgt für das Wachstum von Muskeln. Auch der Menstruationszyklus spielt eine Rolle. Während die Ausschüttung von Hormonen bei Männern über den Monat relativ konstant bleibt, erleben Frauen Schwankungen. Für Frauen ist es schwierig, kurz vor der Menstruation die maximale Leistung zu erreichen. Das liegt unter anderem am Progesteronspiegel, der zu dem Zeitpunkt erhöht ist. Das Sexualhormon Progesteron wirkt nämlich „katabol“, also muskelabbauend. Kurz vor dem Eisprung ist der Hormonspiegel niedriger und Frauen fällt intensives Krafttraining leichter. Außerdem besitzen Frauen weniger Muskelmasse. Dafür haben sie einen höheren Anteil an Körperfett. Der weibliche Körper muss elastisch sein. Im Falle einer Schwangerschaft ist er größeren Veränderungen ausgesetzt als der Körper eines Mannes. Besonders am Oberkörper ist das sichtbar. Und dann unterscheiden Männer und Frauen sich auch noch im Verhältnis der Muskelfasern, die sie besitzen.

Ein kleiner Exkurs zum Thema Muskelfasern, bitte.

Alicia Strauch: Man unterscheidet zwischen Typ 1 (sauerstoffabhängig) und Typ 2 (sauerstoffunabhängig). Typ-1-Muskelfasern sind langsam „kontrahierend“. Kontrahierend bedeutet: zusammenziehend. Typ-2-Muskelfasern sind schnell „kontrahierend“. Frauen haben einen höheren Anteil von Typ-1-Muskelfasern, Männer einen höheren Anteil vom Typ-2. Frauen sind bei Bewegungen, die schnell, explosiv und kraftvoll sind, im Nachteil. Dafür fällt Frauen Ausdauertraining leichter als Männern, da hier die Typ-1-Muskelfasern stärker beansprucht werden.

Was sollen Frauen bei ihrer Ernährung beachten?

Alicia Strauch: Achtet auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung und trinkt ausreichend Wasser. Aus Ernährung muss man nicht gleich eine Wissenschaft machen. Esst frische Lebensmittel, die gar nicht oder wenig verarbeitet sind. Ausreichend Fett ist wichtig. Das ist ein Punkt, den ich hervorhebe, weil viele Frauen, die auf ihr Gewicht achten, Angst vor Fetten haben. Dabei sind „gesunde“ Fette notwendig für unsere Gesundheit. Ohne ungesättigte Fettsäuren wirst du nicht fit und stark. Wer überwiegend pflanzliche Öle zu sich nimmt, ist auf der sicheren Seite. Fettfrei ist wirklich ungesund. Die Vitamine A, E, D und K sind fettlöslich. Ohne Fett kann der Körper diese Vitamine nicht aufnehmen und verwerten. Das kann zu Mangelerscheinungen führen. Aber auch ausreichend Eiweiß solltet ihr zu euch nehmen. Das spielt beim Krafttraining eine wichtige Rolle (Genaueres dazu weiter unten). Wer ein ehrgeiziges Fitnessziel anstrebt, sollte sich in Sachen Ernährung genauer informieren.

Ihre Tipps fürs Krafttraining?

Alicia Strauch: Jeder Körper ist anders, und jede Frau setzt einen anderen Schwerpunkt.

Immer gilt:

  • Training nur nach fachkundiger Beratung.

Wer keine Erfahrung mit Geräten hat, brauchte eine gute Einweisung. Sonst besteht die Gefahr, dass sich Fehler beim Training einschleichen. Die spielen sich mit der Zeit so ein, dass man sie sich schwer abgewöhnen kann. Das kann zu Beschwerden und Fehlhaltungen führen.

Je nach Ziel können folgende Tipps helfen:

  • Tipps für Frauen, die muskulös aussehen möchten.

Auf den Eiweißbedarf achten. Nimm am Tag 1,5 bis 2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu dir. Ein leichter Kalorienüberschuss ist wichtig, damit sich Muskeln aufbauen können. Ein guter Trainingsplan schreibt regelmäßige Variationen und eine regelmäßige Steigerung vor. Trainiere mit Gewichten, die dich aus deiner Komfort-Zone holen. Aber überfordere dich nicht. Trainiere überwiegend im „Hypertrophie-Bereich“ mit acht bis zwölf Wiederholungen. Der Querschnitt der Muskelfasern wächst, sodass die Muskeln an Volumen gewinnen.

  • Tipps für Frauen, die sich definierte Muskeln wünschen.

Du solltest deinen normalen Tagesbedarf an Kalorien nicht überschreiten. Im Training sind häufige Wechsel angebracht. Zum Beispiel kannst du einen Zyklus lang im Hypertrophie-Bereich trainieren (siehe einen Abschnitt weiter oben). Dann folgt ein Zyklus für Kraftausdauer mit 15 Wiederholungen und mehr. Baue zum Beispiel eine Laufeinheit mit Intervallen ein. Das kann so aussehen: 400 Meter sehr schnell laufen, 200 Meter gehen, dann wieder 400 Meter sehr schnell laufen und so weiter. Das kurbelt den Stoffwechsel an und hält die Fettverbrennung hoch. Wer über einen längeren Zeitraum ordentlich Fett verbrennt und seine Muskeln gut trainiert, hat gute Chancen auf einen definierten Körper.

  • Tipps für alle, die ihr Aussehen nicht verändern möchten.

Das kann zum Beispiel für Leute sinnvoll sein, die das Krafttraining aus gesundheitlichen Gründen ausüben oder einfach Spaß an Fitness haben. Oder sie haben ausreichend Muskulatur aufgebaut und möchten diese erhalten. In diesem Fall trainierst du am besten immer mit denselben Gewichten. Muskeln wachsen nicht weiter, wenn der Reiz gleich bleibt. Ein klassisches moderates Ausdauertraining unterstützt dein Herz-Kreislauf-System. Du brauchst täglich zudem nicht mehr als 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu dir zu nehmen.

Was raten Sie Frauen ab 60?

Alicia Strauch: Gerade für Menschen ab 60 ist Krafttraining besonders zu empfehlen. Unser Körper baut im Alter ab. Krafttraining erhält und fördert die Muskulatur, beugt Beschwerden und Krankheiten vor oder reduziert sie. Krafttraining ist in Kombination mit Ausdauer- und Beweglichkeitstraining eine wunderbare Sache. Du tust etwas für deine Gesamtfitness. Menschen, die älter als 70 Jahre alt sind, sind sturzgefährdeter und haben zudem oft auch Angst vorm Stürzen. Hier hilft es, Koordinations- und Gleichgewichtstraining miteinzubauen. Hilfreich sind zum Beispiel sogenannte Balanceboards, auch bekannt als Wackelbretter, und Übungen im Einbeinstand. Die machen Spaß! Die Freude an Bewegung soll schließlich im Vordergrund stehen.

Informationen zum Verein: www.wmtv.de

 

Dieser Mythos ist Teil unserer Aufklärungskampagne "Tu es für dich", in der wir über weitverbreitete Gesundheitsmythen aus den Bereichen Bewegung, Entspannung, Ernährung und Suchtprävention aufklären.