Smarter radeln

Mit Virtueller Realität (VR) trainieren und gesünder arbeiten

Virtuelle Realität (VR) ist längst auch bei der Gesundheit angekommen. In unserer Frühjahrsausgabe 2024 der „BERGISCHEN informiert“ sprechen wir über das Thema unter anderem mit Michael Zgoll. Für den Chef der zgoll: GmbH ist VR-Technik ein elementarer Bestandteil seines Lebens – ob es nun um Sport geht, um die Arbeit oder um die Schnittstelle von beidem: Alljährlich richtet Michael Zgoll ein großes virtuelles Radrennen aus – live an seinem Firmensitz im rheinischen Korschenbroich. Hier im Interview erzählt er davon, wie virtuelles und „echtes“ Radfahren zusammen gehören und warum Mixed Reality ein Gamechanger für Ergonomie am Arbeitsplatz sein könnte.

Micha, wie bist du zum Rennradler und Smartbike-Enthusiasten geworden?

Michael Zgoll: Ich bin erst vor drei Jahren zum Rennradfahren gekommen, aus reinem Zufall. Ich war beim Kardiologen – da gehe ich regelmäßig zur Vorsorge hin – und habe dort ein Belastungs-EKG gemacht. Wegen der Werte, die ich dabei auf dem Fahrrad vorlegte, meinte der Arzt, ich würde doch bestimmt Radsport machen, was ich verneinte. Nachmittags habe ich mich mit einem Bekannten getroffen, der Rennrad fährt, und ihm davon erzählt. Er schlug vor, zusammen eine Runde zu drehen, und das haben wir gemacht: Ich mit dem Hollandrad, er vorne mit dem Rennrad, und zwischendurch haben wir gewechselt. Das war vielleicht cool! Fahrrad fährst du, um irgendwo anzukommen. Das Rennrad dagegen setzt jedes Bisschen Energie, das du hineinsteckst, wie vermehrt um. Das ist wie eine Befreiung! Es war gigantisch gut. Und so bin ich zum Radfahren gekommen.

Was macht für dich den Unterschied zwischen dem normalen Rennrad und dem Smarttrainer aus?

Da gibt es zwei verschiedene Antworten. Zum einen ist der Smarttrainer Mittel zum Zweck. Wenn ich draußen nicht fahren kann, kann ich auf dem Smarttrainer weiterfahren. Das, was du im Winter auf dem Smarttrainer machst, machst du, damit du im Sommer auf dem Rennrad Spaß hast. Das Schöne an Programmen wie Zwift ist, dass du nicht alleine stumpf gegen eine Wand fährst, sondern immer in der Interaktion mit anderen.

Das zweite ist der Trainingsplan. Seit vier Monaten trainiere ich das erste Mal gezielt. Da arbeite ich auf ein Event hin und habe viele Workouts. Das ist draußen schwierig, weil du immer auf den Verkehr achten musst. Du musst runterbremsen und kannst nie so genau die Intervalle fahren, wie es im Plan vorgegeben ist. Das geht auf dem Smarttrainer super.

Draußen zu fahren, das brauchst du zwischendurch immer wieder. Damit du dieses Befreiungsgefühl hast. Damit du weißt, wofür du es tust.

Wie nutzt ihr im Rennen VR-Technik? 

Wenn wir unsere Rennen fahren, sind wir parallel mit den Kollegen per Videokonferenz verbunden. VR-Brillen tragen wir nicht. Bei den Rennen hast du einen Videokonferenz-Screen, auf dem die rund sechzig Teilnehmer zu sehen sind, jeder auf seinem Smarttrainer. Und parallel siehst du die anderen Fahrer als Avatare im Programm.

In euren Büroräumen ist die Technik für Virtual und Mixed Reality sehr präsent. Überall sehen wir große Screens, Kameras, Sensoren und Anzeigen. Eine Auswahl von VR-Brillen ist ausgestellt, über den Schreibtischen markieren farbige LEDs die Belegung. Eine Kollegin im Homeoffice kommuniziert mittels eines Roboters, als wäre sie live im Büro. Und dazwischen du und deine Mitarbeiter in Fleisch und Blut.

Wir unterstützen den Arbeitsalltag mit Technologien, überall da, wo Menschen sich treffen. Egal ob per Video oder live im Gebäude. Was wir viel machen, ist Smart Work. Wenn ich aus dem Homeoffice zurück komme ins Büro: Wie finde ich einen Arbeitsplatz, wie kann ich den buchen, wie können wir als Unternehmen lernen, was unsere Mitarbeitenden an Angeboten brauchen?

In Mixed Reality sehen wir jetzt gerade einen riesen Gamechanger. Es hat das Potenzial dafür, in Zukunft ganz viele Dinge zu verändern, in unserem Alltag, aber vor allen Dingen auch im Arbeitsalltag. Und wie immer geht es nicht um den Reiz der Technologie an sich, sondern darum, was Menschen damit machen und ob sie es wirklich annehmen – oder nicht. Deswegen beschäftigen wir uns so intensiv damit, um genau das auf die Probe zu stellen. Um zu gucken: Wo können welche Technologien weiterhelfen?

An welchen Stellen erwartest du große Veränderungen?

Es gibt momentan eine kurzfristige und eine langfristige Perspektive dazu. Kurzfristig werden mehr oder weniger alle Mixed Reality mit den Funktionen nutzen, die du heute hier schon siehst: Arbeitsplatzbuchung, Informationsdisplays, digitale Türschilder am Konferenzraum. Das sind jedoch alles Silos, jedes basiert auf einer eigenen App.

Zur Person

Michael Zgoll, 46 Jahre alt, ist Geschäftsführer der Zgoll: GmbH und Vater von drei kleinen Kindern. Er gründete das Unternehmen 2010 mit einem Team von Kollegen, die Teil einer Abteilung in einer anderen Firma waren, mit dem hauptsächlichen Ziel, dieses Team zu erhalten. „Es ging vor allem darum, ein Umfeld zu schaffen, wo wir sicher das machen können, wofür wir brennen“, beschreibt Zgoll, „und wo wir unsere eigenen Ideen als Team entwickeln können.“ Heute hat die Firma 34 Mitarbeiter und arbeitet deutschlandweit. Den Standort Blecherhof, den Zgoll uns freundlicherweise für das Titelshooting der Frühjahrsausgabe 2024 unseres Kundenmagazins zur Verfügung stellte, haben die Kollegen aus einem alten Bauernhof aufgebaut und dabei komplett auf links gedreht. Die Firma ist spezialisiert auf Zusammenarbeiten, Videokonferenz-Technologie und New Work.

Die langfristige Perspektive ist das, was Apple mit den neuen Apple Vision Pros schafft. Apple spricht dabei von „Spatial Computing“. Was meint: In Zukunft hast du nicht mehr deine Inhalte auf dem Laptop, sondern du breitest sie frei im Raum aus. Da, wo du sie haben möchtest. Du hast diese Grenzen nicht mehr! Was ein riesiger Vorteil ist. Wir sprechen so viel über Ergonomie am Arbeitsplatz, dass du dich bewegen sollst und nicht so viel sitzen. Mit Spatial Computing ist das gelöst. Dann brauchst du aber etwas, was du im Homeoffice nicht hast: Raum.

Eine Chance für das Büro?

Ja! Jeder überlegt heute, welche Bedeutung das Büro heute in der Situation nach Corona überhaupt noch hat. Da sagen viele: „Es geht um Interaktion, um das Miteinander, es geht um Identität unserer Organisation.“ Das ist alles richtig und wichtig! Aber es scheint nicht dafür auszureichen, dass ein Mitarbeiter sich freiwillig dafür entscheidet, ins Büro zu fahren. Irgendetwas scheint den Leuten zu fehlen, um das Büro wieder zum Mittelpunkt der Arbeit zu machen.

Spatial Computing hat das Potenzial, ein dem Büro wieder eine Relevanz zu geben. Nicht für jeden Tag! Aber dann, wenn ich große Projekte habe. Ich kann nicht im Teams-Meeting mit meinem Kollegen einen Architekturplan besprechen oder komplexe Strukturen visualisieren. Wenn ich dagegen mit einer entsprechenden VR-Brille ich völlig dynamisch den Raum mit meinen Inhalten fülle und wir die auch teilen können, dann hat der Raum wieder eine echte Relevanz.

Was bedeuten diese Perspektiven für dein eigenes Unternehmen?

Tatsächlich verändern die neuen technischen Entwicklungen sogar uns: Im Prinzip sind wir Spezialisten für Zusammenarbeit, Collaboration Specialists. Aber wir haben jetzt gerade ein Projekt laufen, in dem wir unsere Identität noch mal neu bearbeiten und in Worte zu fassen versuchen. Denn das, was vor zwei Jahren galt, gilt heute so nicht mehr. Und mit dem, was mit Mixed Reality auf uns zukommt, wird alles noch mal anders.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke, Michael.
  

Das Gespräch führte Carolin Kubo, Leitung des Kundenmagazins bei der BERGISCHEN KRANKENKASSE

 

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